Anthony Stewart Head alias Rupert Giles

Während seiner Jugend lebte Joss Whedon einige Jahre in Großbritannien, wo er eine private Jungenschule besuchte. Dort lernte er, wie sich ein englischer Gentleman in der Öffentlichkeit zu verhalten hat. Er lebte in einer eigenen, von strengen Regeln gekennzeichneten Welt, die in der Welt von heute oft antiquiert wird. Trotzdem hat sich auch Joss Whedon der Faszinetion dieses archaischen Erziehungssystems nicht entziehen können. Der englische Gentleman ist ein Snob, aber gebildet, er ist affektiert und verfügt doch über einen nicht zu unterschätzenden Sportsgeist, er ist konservativ im Denken, dabei aber immer offen für neue Ideen und Erfindungen. Rupert Giles soll diesen Gentleman in Buffy darstellen. Rupert Giles, der hochgebildete englische Bibliothekar der High School von Sunnydale, ist in Kalifornien natürlich ein "fish-out-of-water" (ein Fisch ohne Wasser). Vermutlich ist ihm die Welt der Amerikaner weitaus fremder als die der Vampire und anderer Monster. Seine Pflicht als Wächter besteht darin, der Vampirjägerin als Mentor und väterlicher Freund zur Seite zu stehen, ohne in den Kampf als solchen einzutreten.
Von Anfang an suchte Joss Whedon für die Rolle des Rupert Giles einen englischen Schauspieler. Er solte ein englischer Gentleman vom Scheitel bis zur Sohle sein, ein Mann, der feinstes Oxford-Englisch sprach, der aber gleichzeitig in Sunnydale, Kalifornin, nicht zu verloren wirkte. Ein Schauspieler jenseits der Fünfzig schien für diese Rolle ebenso ungeeignet wie ein zu junger Schauspieler. Um die Vierzig sollte er sein, alt genug, um den englischen Gentleman glaubwürdig zu verkörpern, jung genug, um in der ungewohnten amerikanischen High-School-Umgebung nicht zu verloren zu wirken. Mit Anthony Stewart Head hatte Joss Whedon schließlich die Idealbesetzung gefunden.
Anthony Stewart Head wurde am 20. Februar 1954 in Camden, einer Ortschaft nördlich von London, geboren. Seine Kindheit und Jugend verbrachte er in Hampton, einem typischen englischen Kleinstädtchen, wo er die Schule besuchte und auch seine erste Theaterrolle spielte. Im Alter von gerade einmal sechs Jahren stand er auf der Bühne des Stadttheaters, wo er eine kleine Rolle in "Des Kaisers neue Kleider" spielte.
Anthony brauchte viele Jahre, um sich vom Schatten seines Bruders zu befreien. Nach der Schule arbeitete er für seinen Vater in dessen Produktionsfirma, wo er sich überwiegend mit Filmschnitt beschäftigte, jedoch vergaß er in dieser Zeit nicht, dass er eigentlich Schauspieler werden wollte. Ein Jahr nach Schulende verließ er den Betrieb seines Vaters und ging nach London, wo er die London Academy Of Dramatic Arts besuchte.
Kaum hatte er die Schule abgeschlossen, erhielt er auch schon einen Vertrag für das Musical GODSPELL, in dem er Jesus Christus verkörperte. Das Stück wurde in London ein großer Hit und nach dem Ende der Spielzeit auf eine landesweite Tournee geschickt. Ohne es gewollt zu haben, war Anthony über Nacht zu einem gefragten Musical-Darsteller avanciert. Er spielte und sang Hauptrollen in YONADAB, LADY WINDERMEREīS FAN, THE ROPE und THE HEIRESS. In CHESS war er außerdem eine Zeitlang neben seinem Bruder Murray zu sehen.
Eine Geschichte über die Bestzung der Kanalinseln während des zweiten Weltkriegs durch deutsche Truppen bescherte ihm im Alter von 24 Jahren sein Fernsehdebüt. ENEMY AT THE DOOR lautete der Titel des für die BBC produzierten Dramas, dem eine Reihe kleinerer Fernsehfilme folgten, in denen von ihm jedoch selten mehr als ein oder zwei Sätze zu hören. Einer seiner denkwürdigsten Auftritte absolvierte er 1981. "Ich liebe dich" war der einzige Satz, den er sagen musste - und das auf deutsch. LADY CHATTERLEYS LIEBHABER hieß der schwülstige Erotikstreifen. Obwohl der Film ein beachtlicher Erfolg wurde, half er Anthony Stewart Head kaum, seine Fernsehkarriere auf die Leinwand zu übertragen. Obwohl er sich neben seinen Musical-Engagements auch als TV-Schauspieler etablieren konnte, dauerte es bis 1987, ehe er erneut für eine Kinoproduktion vor die Kamera treten durfte: AUF DEN SCHWINGEN DES TODES hieß der nach einem Roman entstandene Thriller.
Trotz dieses eher unfreundlichen Ausflugs in die Welt des Kinos konnte sich Anthony Stewart Head seinerzeit nicht über fehlende Rollenengagements beklagen. 1988 erhielt er die Hauptrolle in einem Kinofilm: DER TOD WARTET AM DEVILīS HILL wurde in Venezuela gedreht und erzählt die Geschichte eines englischen Musikers, der Zeuge eines Blutbadeswird und kurze Zeit später selbst in das Visier der Mörder gerät, da diese glauben, er verfüge über Informationen, die ihnen schaden könnten.
Mit LOVE IN A COLD CLIMATE, SECRET ARMY oder THE GRUDGE FRIGHT folgten eine Reihe von TV-Produktionen, außerdem trat Head in britischen Fernsehserien wie BERGERAC oder PULASKI als Gaststar auf.
Neben seinen TV-Auftritten und Musical-Engagements trat er hin und wieder auch in Theaterstücken auf. Innerhalb der Musical-Zirkel hatte er einen guten Ruf, doch diese Zirkel sind natürlich auf ein bestimmtes Publikum beschränkt; für die große Masse war er kaum mehr als ein Schauspieler, dessen Gesicht man in einigen TV-Produktionen gesehen hatte. Das änderte sich 1990 schlagartig. Von einen Tag auf den anderen kannte ganz Großbritannien sein Gesicht. Und auch in den USA begannen einige Monate später die Frauen von dem smarten Briten zu träumen.
TV-Werbung stellte für Anthony Stewart Head kein Neuland dar. Bereits in den frühen achtziger Jahren hatte er sich das eine oder andere Pfund durch die Mitwirkung in solchen Spots hinzuverdient. So dachte er sich nichts dabei, 1990 in einem Werbespot des Kaffeefabrikanten Tasterīs Choice, einer Tochter des Nestlé-Konzerns, mitzuwirke. Dieser Spot erzählte eine kleine Geschichte: Eine Frau (Sarah Maugham) stellt fest, keinen Kaffee mehr im Haus zu haben. Sie klingelt bei ihrem neuen Nachbarn (A. S. Head) - und schon springt zwischen den beiden der Funken.
Es war weniger sein Äußeres, worauf das weibliche Zielpublikum positiv reagierte. Anthony Stewart Head ist ohne Zweifel ein sympatisch wirkender Mann, ein waschbrettbauchgestählter Dressman aber ist er nicht. An was sich die Frauen vor allem erinnerten, war seine Stimme. Sie ist es auch, die in der englische Originalversion von Buffy eine fast magische Wirkung auf den Zuschauer ausstrahlt und einen wohltuenden Kontrast zu der im Original eher hohen, fiepsigen Stimme von Sarah Michelle Gellar bietet.
Über eine Gastrolle in der Fantasy-Serie HIGHLANDER gelang Anthony Stewart Head schließlig der Sprung über den großen Teich. Auf Highlander folgte bald ein Auftritt in NEW YORK COPS - NYPD BLUE. Seinen ersten amerikanischen Spielfilm drehte er für den Pay-TV-Sender Showtime. ROYCE erzählt die Geschichte von einem ehemaligen Geheimagenten. Unter amerikanischen BUFFY-Fans hat sich ROYCE inzwischen zu einem Kultfilm entwickelt, da dies der bislang einzige Film ist, in dem Anthony Stewart Head nicht den kultivierten englischen Gentleman spielen darf, sondern als Psychopath eine beeindruckende schauspielerische Leistung bietet, die man ihm kaum zugetraut hätte.
Kurze Zeit später erhielt er sein erstes reguläres Serienengageent. Für die ungemein aufwendig produzierte TV-Serie VR5 hatten die Produzenten nach einem englisch wirkenden Schauspieler Ausschau gehalten, mit Anthony Stewart Head hatten sie ihn gefunden. Obwohl mit großem Werbeaufwand und einem relativ hohen Produktionsetat gestartet, entwickelte sich VR5 zu einem regelrechten Rohrkrepierer. Schon nach drei, vier Episoden stand fest, dass das Projekt einer Virtual-Reality-Serie gescheitert war. Nach dreizehn Folgen wurde das Projekt eingestellt, ohne dass alle Episoden ausgestrahlt worden wären.
Danach bekam A. S. Head zwei lukrative Serienangebote, aus denen er nur noch das richtige auswählen musste. Zum einen handelte es sich um die Hauptrolle in der Showtime-Serie POLTERGEIST - Die Serie, die ihm ein langfristiges Engagement beschert hätte, da POLTERGEIST als Pay-TV-Serie von Einschaltquoten weitestgehend unaghängig ist und sich aus den Mitgliedsbeiträgender Zuschauer und nicht aus den Werbegeldern der Werbekunden finanziert. "Ich fand die Serie zu düster", erklärt der britische Schauspieler jedoch. Daher entschied er sich schließlich zur Mitwirkung in BUFFY, einer Serie, die, wie er es ausdrückt, "... aussah, als käme sie von einem helleren Ort".
Unlängst hat er für den ersten Spielfilm des amerikanischen Entertainment-Senders E! vor der Kamera gestanden. BEST ACTRESS (USA, 1999) heißt die schwarze Komödie, die hinter den Kulissen einer Filmpreisverleihung angesiedelt ist. Im Mittelpunkt stehen fünf nominierte Schauspielerinnen, die sich in Kleinkriegen und Intrigen mit allen Mitteln bekämpfen. Anthony Stewart Head ist in diesem Film in der Rolle eines britischen Shakespeare-Schauspielers/Regisseurs zu sehen, der mit einer Kandidatin verheiratet ist - und mit einer anderen eine Affäre hat, was ihm aus verständlichen Gründen eine Reihe von Problemen bereitet. Nach dem Ende der Dreharbeiten zur vierten Staffel hat der Brite außerdem für eine Kinoproduktion vor der Kamera gestanden: IN METAL GOD (USA, 2000) ist er in der Rolle des Managers einer berühmten britischen Rock-Band zu sehen, die einen Amerikaner in ihre Reihen aufnimmt, was zu allerlei Komplikationen führt.
Trotz seiner Arbeit in Hollywood hat sich Anthony Stewart Head in den letzten beiden Jahren weitestgehend aus Los Angeles zurückgezogen.